Mitarbeiter für Veränderung gewinnen: Warum Beteiligung wichtiger ist als Begleitung
- Stefanie Richter
- vor 4 Tagen
- 6 Min. Lesezeit
3 Schritte, die jeder Kulturwandel braucht
„Manchmal braucht es eine Störung oder einen, der einfach mal hinterfragt.“
Eine kleine Kaffeeküche: Ein langer Tisch, frisch duftender Kaffee und zwei Stühle, die im Abstand von drei, vier Metern auseinanderstehen. Das Schild an der Türe sagt immer noch „nur zwei Leute gleichzeitig in der Küche“ – obwohl die Coronapandemie schon längst vorbei ist.
Wochenlang blieb dieses Pandemie-Layout unangetastet. Niemand fühlte sich zuständig, alle fühlten sich gestört; wer Gemeinschaft suchte, musste umständlich ausweichen. Bis Stefanie Indrejak in einem Workshop schlicht fragte: „Wer sagt eigentlich, dass das noch so sein muss?“ Achselzucken. Kurz darauf stellten die Mitarbeitenden die Stühle zurück, nahmen das Schild ab – und freuten sich den ganzen Tag über ihre neu gewonnene gemeinsame Pause.
Das vermeintlich banale Beispiel zeigt, was Kultur bewirkt: Sie entsteht aus Beziehungen und Interaktionen und wird in den Routinen des Alltags sichtbar.
Genau darüber habe ich mit Stefanie Indrejak, Beraterin für Kulturwandel, gesprochen. Seit über zehn Jahren begleitet sie Kultur- und Strategietransformationen – vom inhabergeführten Mittelstand bis Tech-Scale-ups. Meine Fragen: Wie gelingt Kulturwandel wirklich? Und wie gewinnen wir Menschen für den Wandel?

Die Antworten verdichten sich in drei Schritten, die jeder Kulturwandel braucht:
Diagnose & Purpose – den wahren Pain Point erkennen und ein glaubwürdiges Why formulieren.
System & Rahmen – Führung und Prozesse so gestalten, dass Mut statt Anpassung belohnt wird.
Menschen aktivieren & skalieren – Zaunkönige gewinnen, Quick Wins feiern, Stories verbreiten.
Wenn du wissen willst, wie das in der Praxis funktioniert, lies weiter. Dieser Artikel richtet sich an Change-Manager:innen, HR-Profis, agile Coaches und Führungskräfte, die Kulturwandel nicht nur verstehen, sondern in ihrer Organisation wirksam gestalten wollen.
1 | What the Kulturwandel ?
Wer in Organisationsentwicklung oder Change Management arbeitet, stößt zwangsläufig auf den Begriff Kulturwandel. Doch was steckt dahinter?
Kulturwandel bedeutet einen tiefgreifenden, fortlaufenden Transformationsprozess, der weit über einzelne Change-Maßnahmen hinausgeht.
„Kultur entsteht von innen heraus und kann nicht „gemanagt“ werden.“
Keine Wirkung ohne echtes Tun - Absichtserklärungen allein bringen gar nichts. Ein Tages-Workshop und laminierte Leitlinien an der Wand ändern weder Gewohnheiten noch Wertschöpfung.
„Wollen wir nachhaltigen Erfolg, müssen wir spürbar und dauerhaft etwas verändern. Menschen brauchen ein Umfeld, in dem sie gern arbeiten und ihr volles Potenzial entfalten können. Unsere Aufgabe ist es, genau diese Rahmenbedingungen zu schaffen und erstarrte Strukturen aufzubrechen.“
Kurz gesagt: Kulturwandel zeigt sich erst dann, wenn neues Verhalten den Alltag prägt – nicht, wenn nur Hochglanz-Poster hängen.
2 | Den Sinn klarmachen – vom Pain-Point zum Purpose für erfolgreiche Mitarbeiterbeteiligung
Stefanies Mandate reichen vom inhabergeführten Mittelstand bis zum Tech-Scale-up – doch die wichtigste Erkenntnis bleibt in jedem Mandat gleich: Ohne ein glaubwürdiges, gemeinsames „Warum“ bleibt Veränderung Wunschdenken.
„Das Why steht immer am Anfang – ohne Sinn keine nachhaltige Bewegung.“ – Stefanie
Ein Praxisbeispiel: Nach einer Fusion trat der Vorstand vor die Belegschaft und sagte offen: „Wir haben die Integration unterschätzt. Helft uns, es besser zu machen.“ Erst dieser verletzliche Moment öffnete die Tür für echte Mitarbeit und Mitarbeiterbeteiligung.
Radikale Ehrlichkeit als Auftakt
Ohne spürbaren Grund warum ist jede Initiative Kosmetik. Darum beginnt das Gewinnen von Menschen mit schonungsloser Klarheit:
Schmerz offenlegen – z. B. sinkende Kundenzufriedenheit oder wegbrechende Auftragslage
Zielbild zeichnen – was soll sich für Kund:innen, Teams, Gesellschaft konkret verbessern?
Storyline halten – das Narrativ konsequent wiederholen und mit Zwischenergebnissen unterlegen
Jede Organisation formuliert ihr Why anders – der Weg dorthin bleibt gleich: ehrliche Diagnose, transparente Geschichte, klarer Nordstern. Wer das Why verschweigt, landet bei Scheinpartizipation: Beteiligung wird angekündigt, aber nie durch Entscheidungen belegt.
3 | Rahmen & Systeme – Führung als Möglichmacher
Jeder Kulturwandel braucht Strukturen, die neues Verhalten ermöglichen – und belohnen. Zwei Hebel sind entscheidend: Führung, die Entscheidungsräume öffnet, und psychologische Sicherheit, die Mut schützt.
Führung: Räume statt Regeln
„In einer komplexen Welt kann niemand allein alle Antworten haben“, erinnert Stefanie. Geschwindigkeit entsteht, wenn Entscheidungen dort fallen, wo das Know-how sitzt. Führungskräfte werden zu Möglichmachern, wenn sie …
Richtung geben – Purpose und Ziele klarziehen
Hindernisse räumen – Ressourcen sichern, Prioritäten klären, vor politischem Gegenwind schützen
Coachen statt kommandieren – Fragen stellen, Spielraum geben, Entwicklung begleiten
Doch Verantwortung zu übergeben braucht Fingerspitzengefühl, wie ein Beispiel von Stefanies Kunden zeigt: Nach dem krankheitsbedingten Ausfall einer Chefin übergab ihr Nachfolger in einer Versicherungsagentur konsequent die Verantwortung an das Team. Anfangs hielten die langjährigen Mitarbeitenden ihn für eine „schlechte Führungskraft“. Zwölf Monate brauchten sie, um zu lernen, Vertrauen als Chance zu begreifen und ihr Know-how zu bündeln – und verwandelten die Agentur in eine der erfolgreichsten des Hauses.
Das Beispiel zeigt: Führung pendelt situativ zwischen Struktur und Freiheit. Dafür braucht ein Team psychologische Sicherheit.
Psychologische Sicherheit – Mut messbar machen
Autonomie scheitert, wenn Menschen Angst vor Fehlern haben. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass Risiken erlaubt, Fragen willkommen und Ideen erwünscht sind. Die Forschung von Amy Edmondson zeigt: Teams mit hoher psychologischer Sicherheit lernen mehr, hinterfragen mehr – und genau das ist der Nährboden für Innovation [1].
Doch in vielen Firmen werden Fehler „unter den Teppich gekehrt“. Stefanies Gegenrezept: eine Lernkultur, in der Fehlversuche offen geteilt und gemeinschaftlich ausgewertet werden.
„Wir können nicht erwarten, dass Menschen mutig Neues wagen, wenn wir sie sofort dafür abwatschen“.
Da psychologische Sicherheit nicht per Erlass entsteht – vier Schritte die wirken:
Vorbild sein – Führungskräfte teilen eigene Fehlversuche öffentlich.
Rituale schaffen – z. B. „Fail of the Month“-Award oder Retrospektiven
Entscheidungsnähe herstellen – Rechte an die Fachgrenze verlagern.
Finger-Pointing ahnden – Schuldzuweisungen konsequent stoppen
Methoden haben Halbwertszeiten, Kultur wirkt nachhaltig. In Stefanies Projekten zeigt sich, dass psychologische Sicherheit das verbindende Grundrauschen erfolgreicher Transformationen und für Mitarbeiterbeteiligung ist.

4 | Mitarbeiter aktivieren – Beteiligung statt „Mitnahme“
Von ihren Kunden hört Stefanie häufig: „Wir müssen die Leute mitnehmen.“ Stefanie legt hier bewusst den Finger in die Wunde:
„Mitnehmen klingt, als stünden Mitarbeitende passiv an der Haltestelle. Mein Ziel ist es jedoch, Menschen zum Mitwirken zu gewinnen und sie zu Beteiligten zu machen.“
Und wie funktioniert das?
Das Beteiligungs-Spektrum in jeder Transformation
In jedem Veränderungsprozess erkennt Stefanie drei typische Gruppen:
Vorreiter:innen – die Begeisterten, die sofort loslegen wollen. Sie liefern Energie, laufen aber Gefahr, zu überdrehen, wenn man sie nicht einbindet und als Botschafter:innen nutzt.
Zaunkönig:innen – die Abwartenden, die erst beobachten, bevor sie sich entscheiden. Sie sind die stille Mehrheit und damit der größte Hebel: Gewinnt man sie, kippt das System in Richtung Wandel.
Bewahrer:innen – die Skeptiker, die am liebsten alles beim Alten lassen. Sie blockieren, wenn ihre Ängste nicht adressiert werden.
Die meisten Unternehmen fokussieren sich auf den lautstarken Widerstand der Bewahrer:innen. Viel wirkungsvoller ist es, die Zaunkönig:innen zu gewinnen – denn mit ihnen skaliert der Wandel.
So gewinnt man die Zaunkönig:innen:
Einzel-Dialoge führen – zuhören, Motive verstehen.
Low-Risk-Experimente anbieten – etwa Mini-Pilotprojekte oder Freiwilligen-Auslosungen.
Co-Creation-Formate nutzen – Design Thinking, LEGO® Serious Play usw.
Quick Wins sichtbar machen – Fortschritte feiern, Storyline verstärken.
Situativ coachen – 1-on-1, Team-Sessions oder Training on the Job.
„Es gibt keine One-fits-all-Lösung – Methoden müssen zu den Menschen passen.“
Transformation ist kein Sprint
Stefanie begleitet manche Kund:innen seit über sechs Jahren. Nachhaltiger Kulturwandel braucht Zeit, Iterationen und Geduld – aber jede sauber gestaltete Beteiligungsschleife zahlt sich in spürbar höherem Engagement aus.
Fazit | Kulturwandel: Langstreckenlauf statt Shuttle-Tour
Menschen für den Wandel zu gewinnen heißt, Sinn, Sicherheit und Selbstwirksamkeit erlebbar zu machen. Kulturwandel startet mit radikaler Ehrlichkeit über Pain Points und einem klaren Why, braucht Führung, die Entscheidungsräume öffnet und psychologische Sicherheit schafft und wird erst skalierbar, wenn die stillen Zaunkönig:innen aktiv mitgestalten.
Methoden kommen und gehen – was bleibt, ist gelebte Kultur, sichtbar im täglichen Verhalten. Wer diesen Langstreckenlauf konsequent geht, erhält mehr als schöne Poster: ein Unternehmen, das schneller lernt, konsequent liefert und Talente wie Kund:innen magnetisch anzieht.
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Über Stefanie Indrejak
Stefanie Indrejak ist Kulturwandel‑Ambassadorin, autorisierte INQA‑Beraterin, Speakerin und Fachbuchautorin. Als eine der jüngsten Sparkassen‑Führungskräfte stieg sie früh in die Verantwortung, leitete später interne Akademien und gründete 2018 ihre eigene Beratungsboutique. Heute begleitet sie Unternehmen dabei, psychologische Sicherheit, Loop‑Approach‑Methodik und werteorientierte Führung in die Praxis zu bringen. Kunden schätzen ihr Talent, aus Skepsis Gestaltungslust zu formen.

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Quellen:
[1] Edmondson, Amy C. (1999): Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383.